Corona-Krise
Heute habe ich gefeiert

Heute habe ich gefeiert

Auch das kirchliche Leben hat sich aufgrund der Corona-Pandemie verändert. Gottesdienste werden nicht in gewohnter Weise in den Kirchen gefeiert. Dafür werden zahlreiche Alternativen über Telefon, Video und Social Media angeboten. Der folgende Beitrag stammt aus einem aktuellen Gemeindebrief, anlässlich der Corona-Krise.  

Heute Morgen gegen neun in Bochum. Zwischen Kaffeetasse, Brötchenkorb und Butterdose, zwischen Salzstreuer und Pfeffermühle, der Schale mit Äpfeln und der leeren Schokoladenpackung. Heute Morgen habe ich gefeiert. Das Geschirr stand noch in der Spüle, der Topf vom Mittagessen gestern noch auf dem Herd. Heute Morgen habe ich eine Kerze angezündet und innegehalten. Dabei lag die Wäsche noch in der Maschine. Heute Morgen habe ich Gottesdienst gefeiert. Zuhause. In der Küche. Fünf Minuten. Für mich selber, mit all meinen Fragen und all meinen Sorgen, mit allen Hoffnungen und allen Wünschen, mit meinen Zweifeln und mit meiner Zuversicht. Für meine Lieben, die so tapfer sind in diesen Tagen und die mit mir die Sorge teilen, dass wir alle zusammen irgendwann den Lagerkoller kriegen. Für die, die da draußen arbeiten müssen. In Medizin und Pflege. In den Supermärkten. In den Bussen und Bahnen. Im Handwerk und auf der Post. Für die, die krank sind. Corona, Demenz, das schwache Herz des Verwandten. Für die Menschen in den Flüchtlingslagern. Für die Familien, die jetzt in kleinen Wohnungen aufeinander hocken. Für die, die in Quarantäne sind. Und sicher habe ich noch den einen oder die andere vergessen. „Ewiger Gott, hier sind all meine schrecklich ungeordneten Gedanken, hier sind all meine unfertigen Worte, mein ganzes Heute-so-und-morgen-so. Du kennst das alles. Und du verstehst es. Also: Bitte nimm es an und ordne es für mich. Amen.“

Heute Morgen habe ich Ruhe gefunden und Verbindung aufgenommen – einen lebendigen Draht zu denen, an die ich gedacht habe, zu Gott, zu mir selbst. Auf dem Küchenschrank lagen Paprika, Tomaten und Äpfel und ich habe mich so sehr über die Töne in rot, gelb und grün gefreut, dass mir fast die Tränen gekommen sind. Ich habe Gottesdienst gefeiert. Mitten im Leben. Zwischen Geschirr und Brötchen. Und den Krümeln, die verstreut auf dem Tisch lagen. Und heute Morgen so gegen fünf nach neun in Bochum habe ich Segen gespürt: „Mögen Gedanken an andere Menschen Dein Herz erwärmen! Mögest Du getröstet sein! Möge das Vertrauen in Dir stark werden!“ Ich werde wieder Gottesdienst feiern. Mitten im Leben. Und Amen sagen: „So sei es!“

Pfarrer Holger Nollmann (von der Friedenskapelle im Q1 in Stahlhausen)
im Namen des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde Bochum